Im Rahmen der Interdisziplinären Gastvortragsreihe des JMCE werden verschiedene hochrangige nationale und internationale ReferentInnen aus Wissenschaft und Praxis eingeladen, ein übergreifendes Semesterthema aus dem Blickwinkel ihrer Disziplin bzw. ihrer Praxiserfahrung zu diskutieren. Im Anschluss an den jeweiligen Vortrag ist das Publikum eingeladen, mit den ReferentInnen zu diskutieren. Informationen zu vergangenen Vortragsreihen finden Sie hier.
Im Wintersemester 2016/17 widmeten wir uns der Frage: „Wie viel Solidarität braucht Europa?“.
Den ersten Vortrag des Semesters bestreiteten am 15.11.2016: Gesa Lüß, Referentin im BMAS und Prof. Dr. Michael Bruter, LSE (London) unter der Überschrift „European Youth on the Edge: Between Doubt and Common Future“.
Im Sommersemester 2016 haben wir uns in unserer interdisziplinären Vortragsreihe dem Thema „Leadership and Crisis in the EU“ gewidmet.
Political Leadership in der EU – zu viel oder zu wenig Führung?
Podiumsdiskussion im Sommersemester 2016
Am vergangenen Montag, den 13. Juni, fand die Podiumsdiskussion zum Thema „Political Leadership in der EU – zu viel oder zu wenig Führung?“ statt. Nach einer kurzen Einleitung und Vorstellung des Leadership-Projektes durch Frau Verdun und Frau Tömmel, erhielten die Referenten die Gelegenheit ihre Sichtweisen in einem Impulsvortrag darzulegen.
Herr Kühnel wählte als Einstieg eine Definition des Wortes Leadership. Leadership sei seiner Meinung nach mehr als das Einnehmen einer bloßen Führungsposition. Die Elemente der Richtungsweisung und des Durchsetzungsvermögens müssten hier zusammenkommen. Außerdem spiele die Balance zwischen dem Maß an Leadership und der Anzahl der Führungspersönlichkeiten eine Rolle. Dabei ergäben sich drei mögliche Kombinationen: (1) Wenige Leader, aber viel Leadership (sog. Cäsarismus), (2) viele Leader bei wenig Leadership und (3) viele Leader mit viel Leadership. Die letzte Situation treffe auf die EU zu. Herr Kühnel stellte weiterhin fest, dass die Streitkultur der EU ihre große Stärke sei: „Dort, wo wir zusammenhalten, ist die EU eine Weltmacht. Dort, wo dies nicht der Fall ist, herrscht Ohnmacht.“ Unter den vielen Krisen (Polykrisen), die Europa erschütterten, sei die Akzeptanzkrise am gefährlichsten. Um dieser und anderen Krisen besser begegnen zu können empfahl Herr Kühnel, das Europäische Parlament zu stärken, die Transparenz von Entscheidungsprozessen zu erhöhen, an einer Europäischen Öffentlichkeit zu arbeiten und aktiv das Streitgespräch mit Populisten zu suchen.
Herr Pöttering wollte anstatt von Führung lieber von Verantwortung sprechen. Die EU befinde sich in der schwierigsten Situation seit dem Scheitern der EVG im Jahr 1954. Die Fragen, die sich stellten, berührten das Fundament Europas. Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit, Frieden und Freiheit machten die EU zu einer einflussreichen Wertegemeinschaft und im Grunde zum „besseren Teil“ dieser Welt. Zur Rolle von Deutschland sagte Herr Pöttering, dass Deutschland zwar nicht führen solle, aber sehr wohl Verantwortung übernehmen müsse. Zu etwaigen Handlungsempfehlungen an die EU sagte er, dass die EU sich in ihrer Gesetzgebung bescheiden sollte, aber in den großen Fragen gemeinsam handeln müsse. Dazu gehöre vor allem der Schutz der EU-Außengrenzen, um auf diese Weise eine geordnete Migration zu ermöglichen. Insgesamt, sollte man betonen, was uns Europäer verbinde und sich intensiver als zuvor mit der Identitätsfrage auseinandersetzen.
Herr Krop widmete sich einer noch stärker politologischen Sichtweise. In der geschichtlichen Rückschau erkenne man, dass zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Mitgliedstaaten eine starke Rolle innerhalb der EU gespielt haben. Dabei seien nicht nur von den großen, sondern auch von den kleineren Mitgliedstaaten Impulse ausgegangen. Herr Krop stellte die These auf, dass wir bis 1990 in einem französischen, bis 2010 in einem britischen und seitdem in einem deutschen Europa gelebt hätten. Bis 1990 habe Frankreich sehr oft die Initiative ergriffen und der EU-Politik ihren Stempel aufgedrückt (vgl. EU-Agrarpolitik). Außerdem sei nichts ohne Frankreich gegangen (vgl. Krise des leeren Stuhls). Im britischen Europa bis 2010 hätten dann angelsächsische Themen, wie z.B. Privatisierung, Marktliberalisierung etc. eine Rolle gespielt. Das deutsche Europa habe sich dann im Zuge der Finanz- und Wirtschaftkrise entwickelt, in deren Verlauf viele Impulse aus Berlin gekommen seien. Momentan habe die EU mit einer Legitimations- und Vertrauenskrise zu kämpfen. Das Problem sei, dass die EU zu viele halbe Sachen gemacht habe, wie beispielsweise die Einführung des Euro ohne Schaffung einer Wirtschaftsunion oder das Abkommen von Schengen ohne den Schutz der EU-Außengrenzen. Die beste Lösung für diese Krisen sei eine Föderalisierung Europas. Da sich dies allerdings in der derzeitigen politischen Lage nicht erreichen lasse, sollte man auf eine praktische Föderalisierung drängen, innerhalb derer die EU-Ebene weniger Kompetenzen hätte, aber diese Kompetenzen klarer verteilt wären.
„Der Europäische Rat – Leader oder Krisenmanager“- Edgar Lenski
Zweiter Vortrag im Sommersemester 2016
Am vergangenen Dienstag, den 17. Mai 2016, haben wir Edgar Lenski als Referenten im Zimeliensaal der Universität Osnabrück begrüßen dürfen. In seiner Funktion als Europarechtsreferent im Bundeskanzleramt konnte Lenski seinen interessierten Zuhörern einen exklusiven Einblick in den „Maschinenraum“ des Europäischen Rates geben. Im Mittelpunkt stand hierbei die Frage, ob es sich bei dem Europäischen Rat um einen Leader oder um einen Krisenmanager handele.
Gemäß Art. 15 des Vertrags über die Europäische Union gibt der Europäische Rat „der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten hierfür fest. Er wird nicht gesetzgeberisch tätig.“ Mit dieser rechtlichen Basis leitete Lenski seinen Vortrag ein. Tatsächliche habe der Europäische Rat zahlreiche Impulse im Rahmen der Staatsschuldenkrise, sowie in der Migrations- und Flüchtlingskrise gegeben. Zudem habe sich die Frequenz der Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs auf beeindruckende 12 Treffen im Jahr erhöht.
Nach einem kurzen geschichtlichen Abriss der Entwicklung des Europäischen Rates ging der Referent näher auf die Rolle dieses Gremiums im Institutionengefüge der EU ein. Die Rolle hänge nicht zuletzt von den Präsidenten von Kommission und Europäischem Rat ab. Während anfangs der Europäische Rat unter der Präsidentschaft von Herman Van Rompuy ein leichtes Übergewicht gegenüber der von José Manuel Barroso geführten Kommission habe verzeichnen können, sei in der aktuellen Konstellation „Donald Tusk und Jean-Claude Juncker“ letzterer deutlich stärker einzuschätzen.
Letztlich komme es aber auch auf das Politikfeld an, sodass der Europäische Rat mal als Leader und mal Krisenmanager in Erscheinung trete. So agiere der Europäische Rat in Krisensituationen nicht als originärer EU-Manager, sondern als kollektives Organ der EU-Mitgliedstaaten. Im „normalen“ Modus präsentiere er sich hingegen als supranationales Organ und übe politischen Druck auf die anderen EU-Institutionen aus, wie in der Klima- und Energiepolitik zu beobachten gewesen sei.
„Wie der Euro Europa Spaltet“- Prof. Dr. Klaus Armingeon – Erster Vortrag im Sommersemester 2016.
Den ersten Vortrag im Sommersemester hielt Prof. Dr. Klaus Armingeon (Institut für Politikwissenschaften, Uni Bern) am Dienstag, den 19.04.. Armingeon beschäftige sich in seinem Vortrag mit der Problematik „Wie der Euro Europa spalte“. Klaus Armingeon zeigte in einer interessanten Präsentation in welchem unterschiedlichen Maße die Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion seit Beginn der Euro-Krise getroffen wurden. Die exogenen Schocks, die nicht mehr durch externe Abwertung ausgeglichen werden konnten, mussten folglich der Einführung des Euros durch interne Abwertung, Austeritätspolitik, verkraftet werden. Diese interne Abwertung führte laut Armingeon zu einer Beschädigung der Demokratischen Legitimität in den Krisenstaaten. Die Bürgerinnen und Bürger entfremdeten sich von ihrer entsprechenden nationalen Demokratie und der EU in der unmittelbaren Folge der Krise. Die Idee, durch eine gemeinsame Währung Identität zu stiften, war spätestens durch die Krise, wenn nicht sogar schon durch die schwammige Beachtung der Maastrichter Kriterien, gescheitert. „Anstatt Europa zu einen, beginnt der Währungsverbund Europa zu spalten: Robuste versus fragile Demokratien.“ Dem empirischen Input folgte eine spannende und inhaltsvolle Diskussion mit zahlreichen Wortbeiträgen des Plenums.
Die Interdisziplinäre Vortragsreihe des Wintersemesters 2015/2016 hat sich mit dem Thema „Smart Europe? Herausforderungen der Digitalisierung“ beschäftigt. Die Termine und Veranstaltungsräume für die einzelnen Vorträge können Sie unserem Kalender entnehmen.
Wir freuen uns auf weitere interessante Vorträge im Wintersemester 2016/2017!